Projektbeschreibung

Die jüngsten Ergebnisse der PISA-Studie zeigen eine besorgniserregende Entwicklung: Die schulischen Leistungen deutscher Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 Jahren sind in den Bereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften signifikant gesunken. Besonders im internationalen Vergleich verliert Deutschland seinen bisherigen Vorsprung und liegt nun auf durchschnittlichem OECD-Niveau. Neben einer strukturellen Unterfinanzierung des Bildungssektors wird der Lehrermangel durch das Arbeitszeiterfassungsgesetz noch deutlicher sichtbar, da die bisher geleistete Mehrarbeit nicht mehr zur Kompensation genutzt werden kann.

Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Lehrkräfte, während der Betreuungsschlüssel konstant bei 1 Lehrkraft pro 28 Lernende bleibt. Die Digitalisierung bietet zwar vielversprechende Möglichkeiten zur Entlastung der Lehrkräfte und zur Verbesserung der Unterrichtsqualität, wird in Deutschland jedoch noch nicht ausreichend genutzt. Der Fokus digitaler Werkzeuge liegt bisher primär auf administrativen Prozessen, während eine echte, lernförderliche Integration digitaler Technologien in den Unterricht noch aussteht.

Ein zentraler Aspekt effektiven Lernens ist individuelles Feedback. Aktuell wird Feedback hauptsächlich durch benotete Leistungskontrollen und begrenzte mündliche Rückmeldungen im Unterricht gegeben. Besonders in textintensiven Fächern sind die Möglichkeiten für individuelles Feedback aufgrund des hohen Aufwands stark limitiert. So benötigt eine Lehrkraft durchschnittlich 45 Minuten, um einen Aufsatz pro Schüler:in der neunten Klasse zu korrigieren. Qualitativ hochwertiges Feedback, das Schwächen konstruktiv aufzeigt und zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Lernstoff motiviert, stellt eine enorme Herausforderung dar.

Moderne Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) können hier eine entscheidende Rolle spielen. Sprachmodelle wie ChatGPT ermöglichen interaktive Gespräche mit Schüler:innen und könnten gezielt auf Probleme und Fragen eingehen. Allerdings gibt es derzeit drei wesentliche Kernprobleme, die einen erfolgreichen Einsatz im Unterricht verhindern:

1. Lernförderliches Feedback: Aktuelle KI-Modelle geben oft direkte Lösungen vor, anstatt Lernende durch gezielte Hinweise zur eigenständigen Erkenntnis zu führen.
2. Individuelles Feedback: Individuelle Schwerpunktsetzungen der Lehrkraft sowie didaktische Anpassungen für die spezifischen Bedürfnisse der Lernenden fehlen.
3. Berücksichtigung impliziter Anforderungen: KI-Systeme erkennen nicht automatisch, welche spezifischen Fachbegriffe oder formalen Anforderungen von der Lehrkraft erwartet werden.

Ziel dieses Projekts ist die Entwicklung von Ansätzen zur Verbesserung von KI-gestütztem Feedback in der schulischen Bildung. Dabei sollen die oben genannten drei Kernprobleme adressiert werden, um individualisiertes Lernen in natürlicher Sprache zu ermöglichen. Schüler:innen sollen dadurch ihre eigenen Schwächen besser erkennen und gezielt daran arbeiten können.

Ein besonderer Fokus liegt auf der Sicherstellung der Korrektheit, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit von KI-gestütztem Feedback im schulischen Kontext. Dazu wird im Rahmen dieses Projekts industrielle Forschung betrieben, die bestehende Grundlagenforschung für die Anwendung in der Bildung nutzbar macht.

Dieses Projekt legt die Grundlage für die Entwicklung individualisierter Lernsysteme und könnte langfristig zu einem vollwertigen Produkt führen. Die gewonnenen Erkenntnisse und Datensätze stehen nach Abschluss des Projekts auch für weiterführende Grundlagenforschung zur Verfügung.

Angesichts der negativen Bildungsentwicklung in Deutschland ist es essenziell, jetzt innovative Lösungen zu entwickeln, um Schüler:innen gezielt zu fördern und so langfristige Defizite in der Arbeitswelt zu vermeiden. Der Einsatz von KI in der schulischen Bildung bietet eine große Chance, um Lehrer:innen zu entlasten und gleichzeitig die Lernqualität nachhaltig zu steigern.

Finanzierung

Das Projekt Lern-KI wird durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) und den Freistaat Sachsen unter der Projektnummer A.100760692 finanziert. Der Förderzeitraum erstreckt sich von 2025 bis 2027.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Norbert Siegmund

Chair of Software Systems
Leipzig University

M. Sc. Sebastian Simon

Software Systems
Leipzig University

PhD Student